… den Frieden von der Erde zu nehmen …

 

„Apocalypse vasnetsov“ von Wiktor Michailowitsch Wasnezow - Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

„Apocalypse vasnetsov“ von Wiktor Michailowitsch Wasnezow · Gemeinfrei über Wikimedia Commons

 

Ich wurde gebeten, im Rahmen einer der üblichen Challenges, fünf Bibelverse vorzustellen, die mir viel bedeuten. Eine gute Gelegenheit, meinen brachliegenden kephas-Blog wieder warmlaufen zu lassen. Also los:

Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben. (Offb 6,4)

Mord und Totschlag, Terror und falsche Bezichtigungen. Kriegsgeschrei und Totenklage. Brüder gegen Brüder, Söhne gegen Väter. Vier Reiter werden auf die Erde losgelassen, als das Lamm die Siegel löst. Ein weißes Roß, das zu siegen auszieht – »wieviele fruchtlose Siege!« klagt Elrond im Herrn der Ringe – , ein schwarzes Pferd, daß Teuerung und Not verheißt, ein fahles Pferd, das Seuchentod und Naturbedrohungen auf die Erde wirft. Weltende. Vernichtung. Grauen.

Und an zweiter Stelle das feuerrote Pferd, dessen Reiter ermächtigt ist, den Frieden von der Erde zu nehmen.

Und dieses feuerrote Pferd ist es, dessen Auftrag mir heute besonders nahe geht. Obwohl der Reiter das Schwert trägt: Nicht er ist es, der die Menschen vernichtet. Mir scheint es, daß sein bloßes Erscheinen die Menschen dazu bringt, sich gegenseitig an den Kragen zu gehen. Was mich beunruhigt: Es sind nicht nur die furchtbaren Mordtaten, von denen alle reden. Es sind, in Abwärtsfolge, auch die großen und kleinen Gemeinheiten, Bedrohungen Nickeligkeiten, Beschimpfungen, Unangemessenheiten, Blockierungen, die die Menschen in den Einflußbereich des feuerroten Reiters bringen. Es erscheint wirklich, als »sei der Friede von der Erde genommen«.

Als Gegenbild zur Logik des Krieges, die die Menschen epidemisch zu befallen scheint, steht aber doch auf dem Berg das Lamm. Unter seine Herrschaft will ich mich stellen. Krieg und Zank sollen nicht das letzte Wort haben. Die Unschuld und Wehrlosigkeit des Lammes mögen uns schützen.

Adventskalender der Blogœzese

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Siebenter Tag des Adventskalenders der Blogœzese. Was läge näher, als Betrachtungen über das großartige Werk des Kirchenvaters Ambrosius anzustellen oder das Evangelium des Zweiten Sonntags kunstvoll auszulegen? Einiges.

Denn heute morgen wurde mir bewußt, daß mein jährliches, jeweils Anfang Januar gefaßtes Vorhaben, dieses Jahr nun wirklich eine schöne Krippe aufzustellen, wieder einmal von der brutalen Wirklichkeit überrollt wurde. Also habe ich überlegt, was das Haus so bietet (ohne daß ich mich hkrippeeute in den vorweihnachtlichen Einkaufsrummel stürzen mußte) und in zwanzig Minuten folgenden Krippenrohling gebastelt.  Ein Karton wurde unter Lebensgefahr aufgesäbelt, Styroporelemente verstärken die Felsen, vorgeknittertes Packpapier mit Schuhcreme geschwärzt (etwas anderes war halt gerade nicht dar), und so gut es eben ging, aus Papierservietten der Blumenschmuck simuliert.

Und da der Trend überhaupt zur Zweit- oder Drittkrippe geht und man eh Krippendarstellungen nicht genug haben kann, gibt es als heutiges Kalendertürchen den Beginn einer Papierkrippe. Einfach buntmalen, auf festeren Karton aufziehen, ausschneiden, Standfuß nach hinten umfalzen und darauf warten, daß nach den Hirten auch die Hirtinnen, die Esel und Eselinnen, die Stiere und Stierinnen … und die hl. Familie allemal. Und so.

Dazu bitte auf den Stern mit der 7 klicken.

Der Adventskalender geht auf eine Initiative von Andrea Imbsweiler zurück, hier findet sich auch eine Übersicht über die bisher erschienenen Beiträge. Den gestrigen Beitrag von Markus Gehling findet ihr hier. Morgen ist dann Peter Winnemöller an der Reihe.

Migrationshintergrund

Möglicherweise gehören Feuerzeuge zu den Gegenständen, denen die Migration ganz wesentlich zu eigen ist.

Da ist das Feuerzeug (mit Herzchenmuster), das eine liebe Freundin offensichtlich auf dem Balkon einer weiteren Freundin vergaß, und welches ich in der durchaus aufrichtigen, jedoch illusorischen Absicht, es treuhänderisch zu verwahren, an mich nahm. Jetzt dient es auf seine letzten Tage als Sakristeifeuerzeug, bis der Kohlestaub seinem löblichen Wirken ein Ende bereiten wird.

Schutzengel und Miesepeter

angelfailBin ich ein schlechter Christ, wenn ich jetzt mal nicht so ne dolle Beziehung zum Schutzengel habe, fragt jemand nach der Lektüre der Papstpredigt zum Schutzengelfest.

Sagen wir es doch mal so. Wenn der Papst oder sonst jemand uns eine Glaubenswahrheit (so nennen wir Katholiken das, worauf wir bauen können), dann kann uns das bewußt machen, was wir sind: SCHLECHTE CHRISTEN.

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber als Christ bin ich ne gans miese Nummer. (Und das ist kein zweckgebundenes Understatement.)

Darum: Froh sein, wenn mir das zum Bewußtsein kommt. Froh sein, wenn mir bewußt wird, daß ich eine Glaubenswirklichkeit ausgeblendet habe – die Präsenz der kleinen und großen Versucherlein ist mir im Alltag eh so bewußt, daß ich die nicht in Frage stellen kann. – Warum also nicht an einem solchen Fest die Gelegenheit annehmen, den Schutzengel anzunehmen und mal so herzlich zu bewillkommnen – auch wenn man sich als aufgeklärter Mensch dabei vielleicht blöd vorkommt?

Immerhin ist das ein Kumpel von dem Engel, der Petrus aus dem Gefängnis befreite. Wenn die heute Abend ein Bier trinken gehen, will ich, daß mein Engel zum Engel des Petrus sagt: „Heute hat er (sie) mich mal wirklich wahrgenommen.“

Ach, die heute show.

Ach, die Heute-Show. Da verfolgen sie die Teilnehmer des Marsches für das Leben mit lächerlichen Fragen (»Wen wollen Sie denn heute kreuzigen?«). Man hört noch den Nachhall des Gelächters aus der redaktionellen Vorbereitungsrunde – Brainstorming zum Thema »Provo bei den Fundamentalisten«.

Nun ist es relativ zwecklos, das Gespräch mit jemandem zu führen, der auf dich zukommt, um sich über dich lustig zu machen. Ist also jede Auseinandersetzung müßig?

Es kommt darauf an, WO man sie sucht oder findet. Wo jeder die Endergebnisse seines Denkens oder seiner Überzeugungen präsentiert und dabei sein Milieu nicht verläßt, ist es zweifellos ermüdend. In den sozialen Netzwerken, in Funk und Fernsehen … Aber triff mal einen dieser Meinungsbildner außerhalb seiner Geschäftszeiten an.

Erst wird er dir möglicherweise attestieren, daß du doch ganz nett bist – das habe er so nicht erwartet, ja, wenn nur ALLE so wären wie du … und möglicherweise wird er dir sogar zuhören, wie du ihm.

Ich bin überzeugt: Ein Mensch hat keinen Humor, solange ihm die Liebe fehlt. Fehlt die Liebe, ist es nicht Humor, sondern Hohn. Und Hohn funktioniert nur in der Gruppe. Wenn die Sicherheit des gewohnten Publikums wegfällt, wird auch der gröbste Spaßvogel zum Menschen. Völlig unerwartet.

Friede ist allweil in Gott

niklaus»Aus Liebe schreibe ich euch noch mehr. Gehorsam ist die größte Ehre, die des im Himmel und auf Erden gibt, weshalb ihr trachten müßt, einander gehorsam zu sein, und Weisheit ist das allerliebste, denn sie fängt alle Dinge am besten an. Friede ist allweg in Gott, denn Gott ist der Friede, und Friede mag nicht zerstört werden. Unfriede aber wird zerstört. Darum soll ihr schauen, daß ihr auf Frieden stellet, Witwen und Waisen beschirmt, wie ihr es bisher getan habt. Und wessen Glück sich hienieden mehret, der soll Gott dankbar sein, so wird es sich auch im Himmel mehren. Den offenen Sündern soll man wehren und der Gerechtigkeit allwegs beistehen.«

Niklaus von der Flüe (†1487), aus einem Dankbrief an die Ratsherren der Stadt Bern
Quelle: Lektionar zum Stundenbuch, II,7, S. 277f

12 Apostel, eine kleine katholische Typenlehre

12 Apostel. Eine kleine katholische Typenlehre. ©Peter Esser

12 Apostel. Eine kleine katholische Typenlehre. ©Peter Esser

[Peter Esser] Den Abschluß der Bloggertagung bildete eine – aus dem Vatikanmagazin bereits bekannte – kleine katholische Typenlehre.  Wenn man schon für sich entscheidet, welche Art von Naturkatastrophe man ist, warum dann nicht auch herausfinden, welches besondere Gewächs im Garten Gottes und der Kirche man darstellt!

Aus Copyrightgründen verweise ich auf den vollständigen (und lohnenden) Artikel.

Während Norbert und Andrea die einzelnen Typen vorstellten, nutzte ich die Gelegenheit, mein Zeichentablett zu testen. Das kam (in Echtzeit) dabei heraus. Für jeden Typ nahm ich mir exakt die Zeit, die es dauerte, die Typenbeschreibung vorzulesen.

First Reason: Tante Erna

Sie war in meiner Erinnerung immer da. Und immer schon alt. Denn bei meiner Geburt stand sie bereits in den Sechzigern, hatte im Backfischalter dem Kaiser zugewunken, als dieser pompös die Werke der Familie Krupp in Essen besuchte. Doch auch wenn ich sie nie anders als Tante Erna nannte: Sie war gar keine Verwandte. Vermutlich hatte mein Opa schon in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg den Ratskeller, den sie und ihr Mann, Onkel Rolf, bewirtschafteten, mit Fleisch und Wurst beliefert, was man halt in der Gastronomie so braucht – nun lebten sie als Pensionäre – und es war eine Art Freundschaft entstanden. Tief kann sie nicht gewesen sein, aber immerhin familiär genug, daß er sich wegen ihrer krummen Beine belustigen konnte, natürlich heimlich.

Bis zu dem Tag, an dem der kleine Peter bei einem Besuch, den Tante Erna und ihr Mann im Jagdhaus abstatteten, die kleine, alte Tante betrachtete und empört schrie: »Opa, die Tante Erna HAT ja keine krummen Beine!«

Mein Opa entzog dem kleinen Verräter seine Liebe nicht, aber auch Tante Erna schien mich fortan als ihren Verbündeten zu betrachten. Oder so.

Jedenfalls überschüttete sie mich geradezu mit ihrer Zuneigung, als sei ich ihr eigenes Kind, das ihr nie vergönnt gewesen war. Ich liebte die Fahrten in Onkel Rolfs Ponton-Mercedes aus den fünfziger Jahren mit seinem geheimnisvollen Anlasserknopf. Gemeinsam sangen wir »So ein Tag, so wunderschön wie heute!« und manchmal ließen wir uns mit der Rheinfähre nach Kaiserswerth übersetzen. Und dann gab es noch Onkel Rolfs selbstgemachtes Speiseeis, eine echte Delikatesse mit einem ganz kleinen Schuß Eierlikör. Viel besser als beim Italiener! fügte Tante Erna streng hinzu, wenn sie mir im Biedermeierzimmer meine Portion zuteilte.

In ihrem Schlafzimmer hing das Ölportrait einer dunkelhaarigen, beleibten Dame mit Perlenkette und geblümten Kleid. Irgendwann verstand ich, daß sie selbst diese abweisende Dame war. Natürlich in irgendeinem mythischen Zeitalter weit vor meiner Geburt, bestimmt sieben Jahre oder gar noch mehr.

Tante Erna, die immer alte, wurde steinalt, und auch ihre Beine wurden tatsächlich immer krummer. Meinem Großvater, längst verstorben, wäre dieser Anblick vielleicht eine Genugtuung gewesen. Als Onkel Rolf nicht mehr fahren wollte, schenkte er den Mercedes einem jungen Verwandten, der ihn prompt weintraubengrün lackierte, was Tante Erna ihm sehr verübelte. Dann starb auch Onkel Rolf, und Tante Erna wackelte allein weiter durchs Leben. Energisch und selbstbewußt.

Doch wurden die Besuche bei ihr auch immer anstrengender. Sie verzettelte sich gerne in endlose Genealogien, wenn sie versuchte, mir zu erklären, wer von ihren Bekannten mit wem verwandt sei. Das konnte lange dauern, und in solchen Augenblicken war sie auf nichts anderes anzusprechen. Um einigermaßen damit umgehen zu können, erfand ich Tante Laura. Ungefähr genau so alt wie sie – also vierundneunzig, und politisch ihr exakter Gegenpart, also leidenschaftliche Frauenrechtlerin und SPD-Mitglied seit 1912. Die Erwähnung Tante Lauras genügte, um sie zum Lachen zu bringen und aus ihren Trott zu reißen.

Einmal hat sie mich in unserer Studenten-WG besucht. Mein Mitstudent hatte soeben das riesige, expressive Wandbild »Der Schreiende« im Wohnzimmer aufgetragen. Und die kleine, alte Tante sprach die weisen Worte: »Das muß der Stefan einem Mädchen zeigen, das jünger ist als ich.«

Tante Erna und ihre Spruchweisheiten! »Mit dem Hute in der Hand, kommt man durch das ganze Land« hatte sie mir eingetrichtert und meinte damit, mich zur Höflichkeit erziehen zu müssen. In ihren letzten Jahren trat der Spruch immer wie ein Mantra auf, wenn sie weiter nichts sagen konnte.

Und plötzlich, ein halbes Jahr, bevor sie hundert Lebensjahre hätte vollenden können, kam ich unversehens hinzu, als sie im Sterben lag. Sie erkannte mich noch, und ein Leuchten ging über ihr vertrautes, altes Gesicht. Hut! Hand! Ich versuchte noch, ihr Kissen zu stützen, ihr das Atmen zu erleichtern, dann sank ihr Kopf in meine Armbeuge, ein hundertjähriges Leben endete genau dort.

Einmal, einige Jahre vor ihrem Tod, hatte ich gemeinsam mit ihr auf einer Bank am Rhein gesessen. Sie hatte mir von Kevelaer erzählt, und von dem unglaublich leckeren Honigkuchen, den sie dort im Café gegessen habe. In einem missionarischen Impuls versuchte ich, ihr ein wenig altklug von der Trösterin der Betrübten zu erzählen, aber sie war einfach vollkommen auf die Honigkuchenschiene eingeschworen. Nichts zu machen, dachte ich. Da fiel mein Blick auf einen gemächlich rheinauf ziehenden Kohlefrachter, einer von vielen. Doch sein Name war Erna-Maria.