Die Predigt eines spanischen Erzbischofs hat Ende der letzten Woche die Bloggergemeinde in Atem gehalten. Auf der Plattform disputata.de erschien. am Freitagmorgen ein Kommentar mit Übersetzung der Predigt, der jeden Zweifel ausräumen mußte: Erzbischof Rodriguez Plaza aus Toledo ist Opfer einer billigen Verleumdung geworden, das Predigtzitat wurde durch Veränderung in sein Gegenteil verkehrt.
Es ist der Katholischen Nachrichten-Agentur kna hoch anzurechnen, daß eine dringende (und wohl auch ein wenig drängelnde) Anfrage, die ich per E-Mail an die Chefredakteure richtete, umgehend, wenn auch ausweichend beantwortet wurde. Neben dem Dank für den »wertvollen Hinweis« verwies man auf »ungesicherte Erkenntnisse«, daß es sich bei der Meldung, die zunächst beim atheistischen »Humanistischen Pressedienst« erschienen war, tatsächlich um eine Falschmeldung gehandelt habe.
Skurril genug erschien und erscheint es mir, daß man bei der Behauptung, der Erzbischof habe Frauen nahegelegt, den Machismo ihrer Partner gehorsam zu ertragen, keinerlei Mißtrauen gegen die Quelle empfand, keinerlei Argwohn bei dem Zitat selber hegte – und es auf diese Weise glatt versäumte, die öffentlich zugängliche Predigt selber einmal zu lesen.
Die Nachrichtenquelle war also zweifelhaft, nicht die Predigt. Der Skandal betraf das Medium, nicht das Objekt der Berichterstattung. Der Widerruf hätte im Indikativ erscheinen müssen, nicht als weiche Wiedergabe einer Gegendarstellung und Interpretation des Erzbischofs.
Und auf einmal betrachtete die kna eine Nachrichtenlage als »ungesichert«. Die Botschaft für mich: Wenn es um das eigene Haus geht, erfahren journalistische Prinzipien eine höhere Wertschätzung.
Ach, der Punkt ist: Ich kann es verstehen. Die Kirche leidet in Deutschland an einem Klima der gegenseitigen Verdächtigung. Es ist die destruktive Kraft der selbstverstärkenden üblen Nachrede, die jeden von uns betrifft. Ich kann mich nicht davon freisprechen, von dieser Dynamik einen Kitzel des Sieges zu erwarten. Im ständigen Ringen der kirchlichen Lager den Gegner endlich zu Boden geworfen zu haben.Und sei es nur für einen Augenblick. Recht haben — natürlich im Dienst der guten Sache.
Mitunter glaube ich, daß Bruderliebe eine weitaus größere Herausforderung als Feindesliebe darstellt. Das Heer der Kommentatoren in der Meinungsblase, die sich durch keinen Perspektivwechsel in der Faktenlage von ihren wütenden Reaktionen auf einen katholischen Bischof abhalten werden, wird sich auch durch eine engagiertere Darstellung der kna nicht überzeugen lassen. Und diejenigen, die der kna und ihren Mitarbeitern jeden Glaubenssinn absprechen, kommen auch durch zerknirschte Reue der Agentur nicht zu einem gnädigeren Urteil.
Es ist die Saat innerkirchlichen Zweifels, die hier aufgeht. Geben wir doch dem anderen immer wieder den Kredit, den wir selber für uns erwarten, spätestens dann, wenn wir in der Beichte bekennen: »Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor dir.« Nur so kann auch das Thema zu seinem Recht kommen, um das es doch eigentlich ging.
Daher empfehle ich die zu Herzen gehende Predigt des Erzbischofs zum Fest der Heiligen Familie. Wir Streithähne mögen den Machismo im eigenen Herzen bekämpfen. Vielleicht dokumentiert ja auch die kna die geistliche Ansprache des Bischofs.