Wenn sie (Astrid Lindgren) irgendein Ziel mit der Figur der Pippi Langstrumpf verbunden hätte, dann dieses: »Zu zeigen, dass man Macht haben kann, ohne sie zu missbrauchen.«
Frau Kreidler-Kos, Leiterin des Seelsorgeamts des Bistums Osnabrück, hat natürlich mit ihrer Betrachtung zu Pippi Langstrumpf in vielem Recht. In Hinsicht auf Dorothea Schmidts Buch »Pippi-Langstrumpf-Kirche« verfehlt sie jedoch das Thema.
Vielleicht hätte sie erwähnen können, dass eine Liedzeile Anlass zu Dorothea Schmidts Buch gegeben hat, die in Astrid Lindgrens Büchern gar nicht vorkommt: Die deutsche Übertragung des Erkennungslieds zu den Pippi-Langstrumpf Filmen von Olle Hellbom.
Da heißt es: »Ich mach mir die Welt – widewidde – wie sie mir gefällt!« Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht daran, dass Andrea Nahles auf dem Höhepunkt des Bundestagswahlkampfs 2013 genau diese Liedzeile am Rednerpult des Bundestags vorgetragen hat, um die Selbstdarstellung der schwarzgelben Koalition wirksam zu kritisieren.
An diesem Punkt setzt auch die Autorin des lesenswerten Buchs »Pippi-Langstrumpf-Kirche – Erfahrungen auf dem Synodalen Weg« an … und gibt unumwunden zu, was Frau Kreidler-Kos hätte bemerken können, wenn sie das Buch gelesen hätte, dass sie Pippi Langstrumpf bis zum heutigen Tag als literarische Figur liebt. Aber: »Pippi hätte ihren Lebensstil nicht bis ins Erwachsenenalter durchziehen können, ohne sich selbst zum Gesetz zu machen.«
Das geistliche Erwachsenwerden wünschte man dem Bistum Osnabrück und seinem Bischof. Denn es ist ja nicht so, als ginge die geistliche Qualität – zum Beispiel der Impulse, die die Socialmedia-Redaktion über den Twitter-Account setzt – über Prilblumenromantik hinaus. (Übrigens ein weiteres popkulturelles Phänomen.)
So beschreibt Dorothea Schmidt in ihrem Buch die Praxis, Wortmeldungen auf dem Synodalen Weg, durch das Zeigen roter und grüner Abstimmungskarten zu bewerten. Melden sich missliebige Vertreter der katholischen Minderheitsposition, darf man recht früh damit rechnen, dass die »roten Karten fliegen«. Der Witz ist, dass dieses plebiszitäre Element von der Synodalsatzung gar nicht vorgesehen ist. Wie sollte es auch? Eine Abstimmung im Stil eines Parlaments oder Parteitags entspricht durchaus NICHT dem synodalen Geist des Aufeinanderhörens. So hatte auch der BDKJ diese Karten verteilt und von ihnen Gebrauch gemacht, um Druck auf Redner und Rednerinnen auszuüben.
Es scheint also, dass die Autorin des Bistums Osnabrück die Tragweite der Kritik an einer Synodalversammlung, deren Mehrheitsfraktion sich selbst Weg genug ist, eigentlich gar nicht erfasst hat. Es befremdet ja ohnehin schon, dass ein ganzes Bistum an dieser Stelle als «Partei« auftritt. Nicht nur dies widerspricht dem katholischen Geist.
Ein letztes Wort zu Pippi Langstrumpf. Die Ephraimstochter ist durchaus Kind ihrer Zeit. Besonders deutlich wird das im Umgang mit einer fiktiven Südseekultur. Pippi und ihr Vater sind eigentlich Vertreter einer kolonialen Epoche, daran ändert die Umbenennung des väterlichen Titels in »Südseekönig« nichts. Ich frage mich, ob die Haltung, die der Account des Bistums Osnabrück gegenüber dem katholischen Teil der Synodalversammlung zeigt, nicht etwas ähnlich Überhebliches an sich hat.