Das Internetportal der Deutschen Bischofskonferenz bittet seine Facebook-Follower, 1.000 Zeichen zu der Frage abzuliefern, warum sie noch in der Kirche bleiben:
Doch viele Menschen bleiben bewusst und gerne in der katholischen Kirche. Falls Sie zu diesen Menschen gehören: Was bindet Sie an die Kirche? Warum ist es Ihnen wichtig, in der katholischen Kirche zu bleiben? (katholisch.de auf Facebook)
Bevor mich allein schon die Frage aufregt (Jodeldiplom), stelle ich mich der Why-Are-You-Still-In-The-Church-Challenge. Eigentlich könnte man genauso den Karpfen fragen, warum er im See bleibt und es sich nicht statt dessen in der Wüste gemütlich macht. Aber offensichtlich ist es für den Fragesteller doch nicht so selbstverständlich, dass einer, der einmal zur Kirche gehört, weiterhin in ihr bleibt. Es gibt viele Gründe zu gehen, doch nur einen Grund zu bleiben: Die Zugehörigkeit zur Kirche ist nicht meine Wahl oder meine Initiative. Sie ist lediglich meine Antwort auf eine Einladung.
»Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.« (Joh 15,16)
Aus eigenen Kräften hätte ich die Frage, welcher Lebensphilosophie ich mich anschließen sollte, nie eindeutig klären können. Der bohrende Zweifel, ob das denn jetzt alles so richtig sei, ob ich mich tatsächlich einer Glaubensgemeinschaft anschließen könne, ob Glauben oder Werte der Kirche überhaupt eine Option für mich sein könnten, hat mich in der Zeit der ersten, bewussten Suche nach einem Lebenssinn nie verlassen. Zu dieser Zeit hätte mich ein Lüftchen von der Kirche wegblasen können. Und um wieviel mehr die Skandale und innerkirchlichen Streitereien, die heute aufbrechen. Dass ich trotzdem immer wieder auf Jesus Christus stieß, sehe ich nicht als Zufall an. So tauchen in meiner Erinnerung Bilder und Szenen auf, die dreißig Jahre zurückliegen.
Auf dem Katholikentag in Düsseldorf: Ich sehe eine Pinnwand voller Gebetszettel. Ich bin überrascht, dass es Menschen gibt, die Gott etwas anvertrauen.
Ich sehe mich noch heute in einer kleinen Bauernkapelle im Emsland. Captain Wright, unser amerikanischer Austauschoffizier, schlägt ein paar Töne auf der Orgel an: Eine Freude, eine Ahnung.
Auf dem Mont Sainte Odile in den Vogesen. Ich öffne abends die Kapellentür; die Gemeinde kniet vor der Monstranz. Anbetung hatte ich vorher nie erlebt. Was tun all diese Leute, ohne dass irgendetwas geschieht? Ich schweige vor dem Licht, vor der Gegenwart, die von dem Altar ausgeht.
Das erste Gespräch mit einem Pfarrer, der mir die unbequemste aller Fragen stellt: Was willst du mit deinem Leben? Er rät mir, es einmal mit dem Vertrauensvorschuss auf Gott hin zu versuchen.
Und irgendwann, nach Jahren, kommt dann Jesus Christus selber. Ich erhalte das Zeichen, um das ich nicht gebeten habe. In einem einzigen Augenblick weiß ich um seine Gegenwart, und ich weiß, dass ich nicht mir selbst gehöre. Ich schreibe an diesem 5. Dezember 1987 in mein Tagebuch: »Er will in sein Eigentum zurück.« Fragend nehme ich die Bibel in die Hand, weiß nicht, wo ich zu lesen anfangen soll und versuche es aufs Geratewohl.
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir. (Offb 3,20)
Er ist es, der mich in die Kirche gerufen hat. Die Kirche ist nicht der Ort, an dem ich meine Weltanschauungen und Gottesideen herausgefordert oder bestätigt finde. Sie ist nicht das angenehme kulturelle Umfeld, die herausfordernde Lebnsphilosophie. Von alldem ist wohl ein wenig dabei. Aber sie ist immer noch das Haus des Lebendigen Gottes, der unverfügbare Raum, der geschmückte Hochzeitssaal. Wo sie brüchig ist, da sind Menschen am Werk, und wo Menschen sie auf ihre Ebene herabziehen wollen, erscheint sie kraftlos und matt.
Was die Kirche wirklich ist, erlebe ich in den Sakramenten. Die Beichte macht mich neu, auch wenn der Holzwurm sich leise durch den Beichtstuhl schmatzt. In der Eucharistie empfange ich Jesus Christus, auch wenn das priesterliche Messgewand, das ich vorsichtig anhebe, schon bessere Tage gesehen hat.
Also schreibe ich: »Ich bin gerufen. Und in der Mitte ist Jesus Christus.«
(Und damit benötige ich eigentlich nur 50 Zeichen, inklusive Leerzeichen.)