Krisen sind Entscheidungssituationen, die man annehmen und bewältigen muss. Es kann mehrere Formen der Krise geben: eigene Krisen (durch Reformbedürftigkeit oder Dekadenz, Abweichen vom ursprünglichen Auftrag) und äußere Krisen (Verfolgungssituationen, Neubewertung durch die umgebende Gesellschaft).
Wer könnte ernsthaft bezweifeln, dass die Kirche als sichtbare Institution in unserer Region sich in einer Krise befindet?
Die Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche hat in einem kaum für möglich gehaltenen Bereich das sittliche Scheitern vieler Vertreter aufgedeckt. Aber auch Verantwortliche haben – oft in Verkennung der Situation – eher versucht, Schaden von der Institution abzuwenden, als die Geschädigten ernstzunehmen.
An endogenen Gründen für eine Krise der Kirche, die sich in der Geschichte bewegt, fällt die Anfälligkeit gegenüber Ideen und Philosophien auf, die die Kirche von ihrem Ursprung wegbewegen. Natürlich sind hier die Themen des sogenannten Synodalen Wegs als Krisentreiber auszumachen. Der Kirche wird eine Kur durch Anpassung an die dekadente Gesellschaft empfohlen. Wenn sie sich nicht mehr von der Gesellschaft unterscheide, könne sie attraktiv auf die Gesellschaft wirken, lautet der Zirkelschluss.
Da der aggressive Säkularismus blind für seine eigene Anfälligkeit für das Böse ist, verspricht er der Kirche mit schönen Worten das als Heilmittel, womit er selber bereits sittlich gescheitert ist. Bischof Bode und Bischof Bätzing nennen das dann Offenbarungsqualität der Lebenswirklichkeit.
Befeuert durch eine Bevorzugung der Medien drängen Gruppen darauf, dass sich die Kirche von ihrer eigenen Herzmitte lossagt. Bischöfe und Domdekane hofieren die Zweinullgruppe, die, ohne diese Auffassung jemals widerrufen zu müssen, offen die Abschaffung des Priestertums fordert.
Und die Gläubigen? Sind oftmals hin- und hergerissen.
Es gerät hier aus dem Blick, dass der Beistand der Kirche nicht ihre Satzung, ihr Katechismus oder das Kirchenrecht sind, die man etwa mit ausreichender Mehrheit (oder wenn man einen Bischof oder einen Papst installiert hat, der die eigene Auffassung vertritt) ändern kann, sondern die im Heiligen Geist eingelöste Zusage Jesu: Ich bin bei euch alle Tage. Kein selbsternannter Reformer kann in der Kirche Dinge umsetzen, die außerhalb seiner Vollmacht liegen. Das wird krachend scheitern.
Kirchengeschichte ist von ihrem Ursprung her Krisengeschichte: »Wollt auch ihr weggehen« fragt Jesus die Jünger bereits in Kapharnaum nach der Spaltung durch die große eucharistische Verheißungsrede. Schließlich erlebt die Jüngergemeinschaft ihre Krise bei der Festnahme und Hinrichtung Jesu. Auch die Entscheidung für den Auferstandenen ist eine Krise – hinter verschlossenen Türen, auf dem Weg nach Emmaus, am See von Tiberias. Die junge Kirche schließlich wird mit ihrer Gründung in die Krisen blutiger Verfolgung und einbrechender Irrlehren geschickt. Krisen, wohin man schaut.
Das alles betrifft die Kirche, soweit sie sich in ihrem geschichtlichen Prozess befindet. Ich wage die Prognose, dass das eifrig herbeigeschriebene Schisma in unserem Land noch lange auf sich warten lassen wird. Die Verantwortlichen der Kirche werden versuchen, die Konfliktlinien so lange vage und verschwommen zu halten, wie es eben geht, um in der Krise keine Entscheidung treffen zu müssen.
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Kirche in ihrer lebendigen Mitte die Krise des Karsamstag bereits hinter sich gelassen hat. Sie beweint nicht mehr den Leichnam. Ihre Kraft ist der Auferstandene. Sich bei ihm »in Stellung zu bringen« und neues Leben eher aus Umkehr und Buße zu erwarten als aus dem Abarbeiten säkularer Vorstellungen – da ist man eigentlich gut aufgestellt, den Weg mit Jesus aus der Krise zu gehen.