Hier versuche ich mich der Frage zu stellen, warum ich als Katholik, dem die Liturgie wichtig ist, auf ein gigantisches charismatisches Event gehe. Ich könnte zwar sagen: Weil Jesus Christus da wirkt – und das wäre eine völlig ausreichende Antwort. Ich dachte mir aber, ein wenig mehr schadet vielleicht nicht.
Es gibt wohl zwischen einigen evangelikalen Gemeinden auf der einen und sehr traditionell geprägten Katholiken auf der anderen Seite ein spiegelbildlich geprägtes Vorurteil über die je andere Seite: Daß der vorgebliche Glaube an Jesus Christus offensichtlich nur ein Konstrukt der Gegenseite sei. In Wirklichkeit vertrete der andere doch nur eine hohle Lehre, die – je nachdem – dann als unbiblisch oder häretisch bezeichnet wird. Wenn der andere von Gott spricht, dann nur in einer quasi widerrechtlichen Aneignung. Daß uns die Eine Taufe verbindet und hinter der Taufe der Dreifaltige Gott, dafür ist im eigenen ideologischen Anspruch auf Alleinvertretung kein Raum.
Die Taufe, die uns zu Kindern Gottes macht, ist jedoch der entscheidende Punkt. Einen von der liturgischen Tradition her geprägten Katholiken kommt es sicherlich schwer an, daß die Gnade offensichtlich auch da wirkt, wo eine Hinwendung zur liturgischen Hochform nicht unbedingt zu erwarten ist. Ja, vielleicht sogar da, wo noch ein weiter Weg zu dem zurückzulegen ist, was ein gläubiger Katholik als Kirche versteht. Jesus läßt sich oft in spektakulären Bekehrungen außerhalb der Katholischen Kirche finden. Offensichtlich ist es dem Vater so wichtig, daß verirrte Kinder den Weg nach Hause finden, daß er die Frage, ob dieses Haus ein Schuppen oder eine Villa ist, erst einmal hintanstellt.
Die Menschen, die mir vor drei Jahrzehnten diesen Heimweg finden halfen, waren unter anderem Freikirchler, Pfingstler, Evangelikale. Natürlich denke ich dabei an das Jesushaus in Düsseldorf, in dem mich die Erkenntnis »Es gibt Gott, und Er will in sein Eigentum zurück« wie ein Blitz traf. Es waren Freunde vom evangelikal geprägten Marburger Kreis, die mich aufnahmen und mit mir die Stille Zeit einübten. Es waren Pfingstler, die mich zur Zeltmission mitnahmen, mit mir die Bibel lasen und mir das Gefühl gaben, jederzeit bei ihnen willkommen zu sein.
Daß ich in dieser Zeit der ersten Begeisterung katholisch blieb und wurde, lag auch daran, daß sich mir in der Kirche eine Wirklichkeit öffnete, die der Liebe Gottes nichts hinzufügte, nicht irgendwelche arkanen Räume enthüllte, aber doch das Bild vervollständigte. Oft litt ich daran, mit den neuen Geschwistern nicht alles teilen zu können. Das war bitter, und der Zweifel nagte an mir. Was katholisch ist, mußte ich mir nach meiner Bekehrung Stück für Stück erobern und erklären lassen.
Auch die charismatische Erneuerung hatte ich mir nicht ausgesucht. Im Gegenteil; meinWeg begann, als mir begeisterte Menschen begegneten und ich an ihrem Überschwang Anstoß nahm. Die Skepsis war wichtig, denn sie konnte sich überzeugen lassen. Aus der Ablehung wurde Bejahung. Wären mir die auffälligen Eigenarten charismatischer Frömmigkeit – die Betonung des Lobgebetes, der Glaube an das Wirken Gottes im Alltag, die Erfahrung des Heiligen Geistes – gleichgültig gewesen, dann hätte ich nie weitergesucht. Und dass ich glauben kann – darüber staune ich heute noch.
Ich glaube, daß die Erfahrung der Charismen ein Geschenk Gottes ist. Ja, sogar ein ökumenisches Geschenk, das es uns ermöglicht, dankbar anzuerkennen, was der Herr unter allen, die die Taufe kennen, wirkt. Unterschiede in Überzeugungen gibt es, warum sie aber durch Unduldsamkeit und Rechthaberei vertiefen? Wer die unangefochtene, wirklich sichtbar einige, wirklich sichtbar heilige Kirche sehen will, muß sich bis zu seinem Dahinscheiden gedulden. In der Zwischenzeit kann es nicht schaden, gut miteinander umzugehen.