Diese Gedanken möchte ich allen widmen, die heute nicht ihren Namenstag feiern. Sie sind hoffentlich weit von einer sturen Apologetik der Alten (für mich als Konzilskind: Neuen) Messe entfernt, entstanden aber dennoch als Reaktion darauf, wie (meiner Ansicht nach) die Auseinandersetzung über Liturgie gerade nicht ausgetragen werden sollte: Als verbissenes Für und Wider.
Wer ein normales Gemeindeleben in einer durchschnittlichen Großgemeinde miterlebt – sagen wir vielleicht: St. Tünnes im Kappesgürtel einer rheinischen Großstadt, dann stellt man fest, wie sehr sich das religiöse Leben der Ortsgemeinden – besonders in den Dörfern in Traditionen artikuliert, die älter sind als die Liturgiereform, und die irgendwie erhalten geblieben sind. Ein besonderes Beispiel sind der Rosenkranz vor der Messe – ein Gelöbnis der Urgroßmütter, dmit der Ehemann oder Verlobte heil von der Front zurückkehrt, die Bittgänge um Christi Himmelfahrt oder die Kreuzauffindungsprozession in Sankt Helenchen. Langsam jedoch stirbt das aus. Die Menschen werden älter, und die Traditionsweitergabe hat nicht funktioniert. Aber die Monikas in diesen Gemeinden feiern immer noch ihren Namenstag, sofern sie ihn noch feiern, am 4. Mai.
Liturgischer Planerwille
Was ist da geschehen? Nach dem Krieg mussten die Städte im Rheinland großenteils völlig neu aufgebaut werden. Was jedoch geblieben ist – zumindest in der ersten Nachkriegs-Bauphase – ist eine Erinnerung an die alten Straßenzüge und Namen. Erst später, und mit der Entwicklung sogenannter »Einkaufszentren« wurde das Prinzip »Straßenzüge müssen erhalten bleiben« beiseite getan.
In der Liturgie ist etwas Vergleichbares geschehen. Die Kalenderreform hat lange Eingeübtes teilweise mit brutalem Planerwillen abgetan. Natürlich ist es schön und zweckmäßig, wenn die Mutter Monica von Tagaste ihrem Sorgenkind auch liturgisch vorangeht. Aber wer nicht routiniert dem Kirchenjahr folgt, vergisst den Gedenktag – oder feiert ihn wie gehabt persönlich nach der alten Ordnung. Im Kirchenchor hat jedenfalls Monika (seligen Angedenkens) den Eierlikör am 4. Mai kreisen lassen.
Unsere Monika hat es nie gestört – Eierlikör ist Eierlikör. Aber ich wittere den Stoff für ein Drama, und es lässt mich an eine Gegenüberstellung denken, die ich versuchsweise als Deutungsmuster über solche Beobachtungen lege: Dass sich Ideen nicht als »Weiterentwicklung« ablösen, sondern als scharfe Gegensätze. Es geht um das Gegenüber von alter Ordnung zu neuer Ordnung, die sich nicht als harmloser Dekortionswechsel ereignet, sondern von einem tieferen Widerspruch betrieben wird. Die alte Ordnung war wie eine alte Straße: knorrig, verwinkelt, verschachtelt teilweise, aber sie war belebt. In ihren Winkeln lebten Menschen, sie hatten sich eingerichtet und fragten nicht nach Konsequenz und kirchlichem Corporate Design. Und jede Ecke wusste noch von den Generationen, die vorher dort gelebt hatten. Die neue Ordnung ist geplant; eine Ordnung, die errichtet wurde, um zu passen und soziologisch stimmig zu sein. Aber sie lebt davon, dass die Menschen sie irgendwie annehmen. In den Siebziger Jahren wurden Plätze als Kommunikationsorte eingerichtet. Da wurde ein Miteinander vorgeplant, das sich – aus welchen Gründen auch immer – nie ereignen hat. Ich erinnere mich noch an die Euphorie, mit der damals der neue Krefelder Theaterplatz mit seinen sechseckigen Brunnenelementen in Betrieb genommen wurde. Und heute? Das Publkum betritt das Stadttheater lieber hastig durch die Tiefgarage. Vielleicht gelang der Plan nie, weil sich Gespräche eher auf der Hintertreppe ereignen als in vorgegebenen Begegnungsräumen. »Sei hier spontan!« ist eine paradoxe Aufforderung.
Susanna nur auf Latein
Auch die alte Liturgie ist ein solcher verschachtelter Bau. Und ohne der neuen Liturgie auch nur ein Milligramm ihrer Gültigkeit abzusprechen, muss man sagen, dass sie vieles nicht kann, das der alten Liturgie ganz eigen ist. Es wird in der neuen Liturgie niemals geschehen, dass der Priester – wie Pater B. – im schönsten Eifeler Platt verkündet, die Geschichte der keuschen Susanna werde nur auf Latein vorgetragen, da Kinder anwesend seien. Die neue Liturgie rationalisiert anstößige Stellen lieber weg.
Darum: Lasst den Menschen, die nur die Alte Messe feiern wollen, ihre Liturgie. Leben wir einfach damit, dass es Gräben gibt, die wir nicht zuschütten können und die uns nur dann trennen, wenn wir ein solches wahnwitziges Unternehmen versuchten. Die Zukunft gehört nicht den Liturgieplanern dieser Welt – und auch nicht dem Stahltisch vor dem barocken Hochaltar, sondern denen. die freudig und ohne Neid aus dem Brunnen der Tradition zu schöpfen gelernt haben.
Beitragsbild: Adobe Stock
Es zeigt eine orthodoxe Zeremonie. Das ist nicht sachgerecht, aber schön. 🙂