Strenge ohne Liebe

Der Ältere

Strenge: Aus dem Gemälde »Der Verlorene Sohn« von Rembrandt Harmenszoon van Rijn

 

»Hinter der Strenge verbirgt sich etwas im Leben einer Person. Die Starrheit und Strenge sind kein Geschenk Gottes. Die Milde: ja. Die Güte: ja. Das Wohlwollen: ja. Die Vergebung: ja. Aber die Starrheit: nein! Hinter der starren Strenge verbirgt sich immer etwas, in vielen Fällen ein Doppelleben. Aber da ist auch etwas Krankes. Wie sehr leiden doch die Starren: wenn sie ehrlich sind und es bemerken, dann leiden sie! Denn sie schaffen es nicht, die Freiheit der Kinder Gottes zu haben. Sie wissen nicht, wie man im Gesetz des Herren geht, und sie sind nicht glückselig. Und sie leiden viel! Es hat den Anschein, als seien sie stark, weil sie das Gesetz befolgen. Aber dahinter liegt etwas, das sie nicht gut macht: entweder sind sie schlecht, das heißt Heuchler, oder sie sind krank. Sie leiden.

Papst Franziskus, Homilie am 24. Oktober 2016 – Quelle

Diese Homilie des Papstes zum Evangelium von der Heilung der gebeugten Frau am Sabbat (Lk13,10-17)  hat die Gemüter (einmal wieder) aufgewühlt. Will der Papst jetzt endgültig GREENPEACE aus der Kirche machen? Man könnte auf die Perikope verweisen, die weitere Überlegungen überflüssig macht. Aber ich will etwas genauer hinsehen.

Christliche Meditation hat immer auch die Haltung der Strenge meditiert: Was ist strenger als die Aufforderung, das Auge auszureißen, das uns zur Sünde verführt und es wegzuwerfen? Was ist strenger als der Verweis »Laß die Toten ihre Toten begraben?«

Was kann strenger sein als die Aufforderung an einen Interessierten, niederzuknien und zu beichten?

»Ich wandte mich also an Abbé Huvelin. Ich bat um religiöse Unterweisung, aber er ließ mich niederknien und beichten und gleich darauf die Kommunion empfangen.«

Charles de Foucault

Das berühmte Wort des Augustinus »Liebe und tu, was du willst!« (Kommentar zum ersten Johannesbrief) bezieht sich zustimmend auf einen streng züchtigenden Vater.

Wendet sich der Papst gegen dies alles? Wendet sich der Papst in einer antiautoritären Blümchenmentalität gegen die Schrift selber? Verurteilt er sein eigenes, in Teilen ausgesprochen strenges Handeln? Die Strenge seiner Predigt, mit der er vor Jahren die Krankheiten der Kurie ausmachte?

Wenn ich die Predigt ein einer christlichen, das bedeutet, in einer angemessenen Hermeneutik lese, ist ihr Gegenstand die Strenge ohne Liebe. Papst Franziskus regt die Gewissenserforschung an: Geht mein Denken und Trachten vom barmherzigen Vater aus? Betrachte ich den Vater vielleicht doch eher als fernen Brötchengeber … und die Ordnung muß ich schon selber richten!

Eine Dogmatik der Strenge legt der Heilige Vater nicht vor. Aber einen Gewissensruf.


Kommentare

Strenge ohne Liebe — 2 Kommentare

  1. Tja, was hat er denn gesagt, in seiner Predigt (mehr war es ja nicht)? Sagte er „rigoroso“ oder „severo“? Beides kann streng heißen, dennoch ist es nicht dasselbe.

    Pax et bonum.

    • Damit ist das Thema vom Tisch. Also noch mehr vom Tisch als ohnehin schon. Denn im Original steht mehrfach das Wort rigida und rigidità. Also rigide: streng, starr, unbeweglich.

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