Da fragt mich ein Freund, ob ich Neuschwanstein besuche (über dem das Chitti Chitti Bang Bang einstmals kreiste). Wie kommt der nur darauf? Zur Antwort schickte ich ihm dieses Bild.
Man besucht es dreimal. Das erste Mal ist die Kinderseele geflasht. Das zweite Mal ist der Erwachsene indigniert. Das dritte Mal ist der Alte angetan. Es ist mein drittes Mal. Bin ich angetan?
Ich habe mich diesmal vorbereitet und die Sagenwelten vorsortiert, mit denen Ludwig II sich in einer Theaterwelt hoch über dem Alpsee, über dem Schloss seines Vaters, über den Pflichten und Ernüchterungen eines konstitutionellen Regenten umgab. Ein Reich aus Bildern, in dem er der letzte Herrscher über eine Sagenwelt aus Nibelungen und Minnesängern bleiben wollte.
Unsere Schlossführerin ist sichtlich glücklich über ihre Aufgabe. Sie hat schon in Linderhof Touristen geführt, aber Neuschwanstein war immer ihr Traum. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass sie »Ludwig des Zweiten« nie dekliniert. Und sie sagt oft »Ludwig des Zweiten«.
35 Minuten gewährt die Bayerische Schlösserverwaltung dem Touristen. Eine gute halbe Stunde, in denen er seine Eindrücke sammeln muss. Und zu diesen Eindrücken gehört immerhin auch die zufällig zusammengewürfelte Menschengruppe, die durch Arbeitszimmer, Speisesaal und Schlafgemach des menschenscheuen Königs trottet. Eine Zufallsgemeinschaft, mit der man irgendwie zusammenfinden muss. Da bleibt nicht viel übrig für die spätromantischen Historienmaler, die das Innere des Schlosses entscheidend geprägt haben. Ihre Malereien sind keine bloße Dekoration – sie sind gemalte Bühnenbilder auf Stein, in denen sich der einsame Monarch als letzter Held eines in Bewegung erstarrten imaginären Mittelalters bewegen konnte. Ich sehe also zu, dass ich den Anschluss nicht verliere.
»Achte auf die Schlacht im Thronsaal! Da ist action, aber es fließt kein Blut! Das Konzept haben Bud Spencer und Terence Hill für ihre Prügelszenen übernommen!« hatte mir ein Freund noch gesteckt. Stimmt! Ich hab sie gefunden!
Nach 35 Minuten blieb doch noch Zeit für ein paar Fragen. Ein kleiner Bub fasst sich ein Herz und fragt die Schlossführerin: »Gab es hier auch Drachen?« Solange Kinder die wesentlichen Fragen stellen können, ist nichts verloren.
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