… weil das Ziel weg ist.

DPG18456 The Woman taken in Adultery, c.1621 (oil on canvas) by Guercino (Giovanni Francesco Barbieri) (1591-1666); 98.2x122.7 cm; © Dulwich Picture Gallery, London, UK; Italian, out of copyright

Christus und die Ehebrecherin, Guercino (Giovanni Francesco Barbieri) (1591-1666); Dulwich Picture Gallery, London, Quelle: Wikipedia

In einem »Standpunkt« auf der Plattform katholisch.de legt der Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophe Dr. Hans-Joachim Höhn dar, daß die vier Kardinäle, die Papst Franziskus ihre »Dubia« vorlegten, »immer noch nicht verstanden hätten«, was Barmherzigkeit sei.

Ich habe dazu einen kurzen Kommentar und einen langen. Der kurze Kommentar heißt »Seufz!«.

Der lange Kommentar geht so:

Es gibt so einige Gebote, gegen die Katholiken habituell (gewohnheitsmäßig) verstoßen. Zum Beispiel das Sonntagsgebot. Nach meiner (natürlich unmaßgeblichen) Einschätzung pflegt ein großer Teil der Katholiken nur einen unregelmäßigen Kirchgang. Mit guten Argumenten!

Die Auffassung, daß der sonntägliche Kirchgang, für den man zur besten Frühstückszeit immerhin zwei Stunden einplanen muß, den einzigen Tag, an dem die Familie beisammen sein kann, auch noch empfindlich stört, ist nicht von der Hand zu weisen.

Fun fact: Wer diese Auffassung vertritt, verstößt gegen das dritte Gebot, setzt es für sich außer Kraft. Was subjektiv als Überforderung erscheint, ist vor der objektiven Gebotssetzung her eine schwere Sünde. Wer seine Gewohnheit nicht ändern will, ist ebenfalls von der Kommunion ausgeschlossen.

Ich will aber jetzt nicht herummoralisieren. Mir geht es tatsächlich eher um die zu Recht gelobte Barmherzigkeit, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, daß ein Bekehrungsweg damit anfangen kann, wenigstens HIN UND WIEDER zur Messe zu gehen.

Und ebenso aus eigener Erfahrung bin ich froh, daß sich, als ich langsam anfing, mich wieder in die sonntägliche Praxis des Kirchgangs einzuüben, kein Moralapostel fand, der mich ermahnt hätte, daß ich doch immerhin ein ganz und gar gottloses Leben führte. Denn ich war am Beginn eines Weges, und Entmutigungen sind kein geistlicher Rat.

Kein Seelsorger – wenn er nicht gerade eine besondere geistliche Vollmacht dazu hat – wird einen hoffnungsvollen Neuanfang erschüttern dürfen.

Und doch: Das Sonntagsgebot bleibt bestehen!

Wenn ich damals also den Schluß gezogen hätte, daß MEIN eigenes Verständnis von sporadischer Sonntagsheiligung normativ wäre, hätte ich mich fatal geirrt. Und ein kluger, alter Pfarrer hat mich auf diesem Weg der fortschreitenden Erkenntnis geleitet, bis ich ihn irgendwann einmal mitten in der Nacht anrufen konnte: »Gott existiert ja wirklich!«

Das ist die Spannung des Seelsorgers: Die ihm anvertrauten Seelen Schritt um Schritt zur Metanoia, zur Umkehr zu führen.

Herr Höhn scheint der Meinung zu sein, daß es dieser Metanoia gar nicht mehr bedürfe, da ja Not, Sehnsucht, Entscheidungen, Liebe des Menschen die eigentliche Wirklichkeit bestimmten. Nicht mehr die sakramentale Wirklichkeit als Ort der Gegenwart Gottes bestimmt den Menschen, sondern die Subjektivität. Nicht mehr Heiligung ist das Ziel des Geistlichen Wegs, sondern das, was gerade so paßt. Und das ist sub specie aeternitatis nicht Barmherzigkeit, sondern Verrohung. Der Weg ist das Ziel, weil das Ziel weg ist.


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